Rückseiten - 5 Gedichte von Walle Sayer

 

Bierlingen, im Höfle

Regenwassertonnen, leeres Gähnen,
unterm Wehen aufgehängter Laken
schläft ein Nachtgespenst, der Hund
hat seinen Knochen wieder ausgegraben,
vorm Haus steht ein Altkleidersack,
die Tür, sie ist nur angelehnt,
und auf dem Spaltklotz
sitzt ein Vogel.

Milchhäusle

Luftlücke, prägend im Ortsbild, aufgelöst
in ein begrüntes Nichts, Phantomgebäude
angegrauter Kinder, wie sie gehen, daran
vorbei mit leeren Händen, mit der Leere
in den Händen, nur im Ohr das Klappern
viel zu schwerer Kannen, ferner Ton
aus einem leisen Abgesang.

Schmierblatt

Balgfetzen: aufgeschnapptes Jägerlatein.
Mein Gekritzel im unlinierten Schnee.
Auf den Rückseiten amtlicher Schreiben.
All das, was auf keine Festplatte geht.
Kuhhaut, täten die Großväter murren.

Herbstnachmittage

Wiesenkicker, Regenwolken,
hinter den letzten Häusern,
fünf Schrittlängen die Tore,
mit Ästen abgesteckt,
alle tragen Schlamperhosen,
die beiden Jüngsten
dürfen wählen, es gilt
ein Dicker und ein Brillenträger
für einen Guten, zu wem
hast du gezählt.

Onkelhymne

Wer wie er
Erstgeborener war und Nachzügler in einem,
Päckchensuppen anrührt und mit Fleckensalz würzt,
das Herbstlaub in den Dachrinnen einfach faulen läßt,
weiterhin so tut, als würd er auf die Letztbeste warten,
einmal rote Schnallenschuhe kaufte für sein Patenkind,
und so allein ist mit sich, daß er
daheim wenigstens immer eine Einsamkeit hat,
als wie jemand mit dem er jederzeit anstoßen kann
und der ihm entgegnet: was eh zukommt auf dich,
dem brauchst du nicht auch noch
entgegenzugehn.

   

Diese Gedichte stammen aus dem 2000 bei Klöpfer & Meyer in Tübingen erschienen Band Irrläufer. Copyright © Walle Sayer 2000.

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