Tiefgekühlt & andere Poeme von Johannes Beilharz

 

Tiefgekühlt

Mit derartigen Augen, ausdruckslos wie ein irdener Topf,
einer dieser grauen mit grober Haut,
werde ich immer angeschaut.

Ein runder schwarzer Punkt, unbewegt, sicher mit
meinem Spiegelbild drin, aber so nahe komme
ich nicht.

"Man tut sich immer alles selbst an," hast du mir
einmal gesagt, doch dann gleich wieder negiert:
"man kennt nur die eigene Grube, bei anderen

vermutet man meist die falsche Tiefe."
Aufgelöst und dann doch auch wieder konzentriert
habe ich diesen Abend mit dir verbracht.

(1994)

 

Schlangen in Erdbeeren

Schlangen gruben für mich runde Löcher
in Erdbeeren
                    Kleine schwarze Schlangen
Mit festtrockener Lakritzenhaut
                                                Die Haut wurde
Rissig und fiel ab
                          Darunter wurden kleine Flüsse
Sichtbar so
                  Feurig rot wie die Erdbeeren
Ich schaute sie erkennend an
                                            Und nannte sie
Die Widrigkeiten des Lebens

(1981/1999)

 

Ein Zopf aus dem Turm

Der braune lange Zopf aus dem Turmfenster
                                                                    An dem sich lange
Vergeblich hinaufschwingt
                                        Über die reifen Rosenkohle
Über die reifen Spitzkohle
                                        Über die kraus riechende
Petersilie
              Über die ausgekohlten grauen Steine der
Rapunzelmauer

(1981)

 

Rohe Nacht

       Der Schwarzwald winkt
Mit einem Dutzend Krücken

                                             Ein Motor

          Die kleinen Fingerabdrücke
Von Heidelbeerblättern

                                          Eine Maschine

      Seegras
Für die feinsten Träume

                                             Drei Reifen

                Grüne Rehe
In Onkel Ottos Nebelfernglas

                                 Eine Maschine

      Ein Mond
Ist ein reitender Blick

(1981/1999)

 

Auch das

Das Treiben sollte aufhören, der Kopf im Wasser
Mit den verklebten schwarzen Haaren, der fast violett
Gepreßte Mund, die Sand- und Bachspuren an den
Nasenseiten. Dann kann man beruhigt einschlafen,
Das Schotteln erinnert an eine nasse Asphalt-
Straße, die man von der Pritsche eines alten
Lastwagens erlebt hat, mit gerade genug vom Geruch
Der Lindenblätter. Dann träumt man von einem Apo-
Strophen, der sich wie ein Keil einbohrt, das
Gehirn wächst sich zu zwei quellenden Riesenpilzen
Aus, schleimig, daß man sich selber ekelt, man
Muß sich unbedingt an etwas anderes erinnern, man
Greift ins Leere, Suppentöpfe? Lauch? Geruch gekochter
Rüben? Fahrradreifen neu aus dem Laden? Wenn man ein
Dickes Lexikon aufschlägt? Und dann die Nase zwischen
Die glatten weißen Seiten hält? Schwarze Militär-
Stiefel. Punkte. Spitzen. Zwiebeln im Krautsalat.
Ein Lederband. Man erschöpft sich. Man verwirrt in
Farbensprenklern und -garben. "Seegarben bäumen sich
Uns entgegen, und Schlaf ist nur ein Ausweg ans Ufer."

(1981)

Alle Copyright © Johannes Beilharz

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