Eine Störung
Eine Störung trat ins Zimmer; sie war schlank und
hatte schlanke, bleiche Vorderbeine; sie hob den Kopf zu
einem Laut, der sich aushauchte, ehe er existierte.
"Du bist mir im Wege," sagte sie im Tone einer
Tatsache, "und ich will, dass du nur Worte ohne
Umlaute oder das deutsche scharfe S benutzt!" Das
sagte sie ganz entschieden. Gegen das Übel gibt es keine
Mittel; sie war das Übel, es kam aus ihr geschossen wie
aus einem Lauf, oder wie eine schwarze Jauche aus einem
Rohr.
Und doch machte sie mich auch wieder traurig mit ihren
armseligen Vorderbeinen und gebleckten Zähnen, diesen
kleinen, wirkungslosen Zähnen, mit denen sie mich
anfletschte. Es wurde mir unheimlich. Sie trat einen
Schritt an mich heran, langsam, aber doch so, daß ich
wußte, ich könnte sie nicht aufhalten; vielleicht war
es auch nur ein Bluff, einer dieser Bluffs, die immer
hinauen. Ihre Krallen machten auf dem Holzboden
scharrende Geräusche, wie "kray, kray". Sie
wedelte mit ihrem ausgefransten Schwanz, bescheiden und
bedrohlich, und ein rötlicher Staub entstieg den
aufgestellten Haaren.
"Was willst du," fragte ich, mit einem
Schlucken, "denn?" Sie trat noch einen Schritt
an mich heran. Ich fühlte ein Pochen in mir, in meiner
Stirn. Und dann sah ich auf einmal, wie sich ihre Augen
unfreiwillig drehten; etwas wie Angst entstand in ihnen,
und sie wollten zunächst ihr neues Ziel, den Schrank,
nicht anerkennen.
Die Schranktür öffnete sich langsam, die Schnauze einer
schwarzen Störung schaute heraus, die beiden fletschten
sich an, es dauerte einen Augenblick, dann lagen sie sich
an den Kehlen und bissen und krallten. Ich gewann meinen
Mut zurück, nahm einen Besen und stieß sie beide aus
der Tür. Ein blauer Himmel erschien aus dem Schrank und
wischte zum Fenster hinüber, wo er hingehört.
Copyright © J. Beilharz 1982 / 2003
Diese Erzählung ist Bestandteil des 2003 erschienen Buches Die
gottlosen Ameisen.
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