Johannes Beilharz

Eine Störung

Eine Störung trat ins Zimmer; sie war schlank und hatte schlanke, bleiche Vorderbeine; sie hob den Kopf zu einem Laut, der sich aushauchte, ehe er existierte.
"Du bist mir im Wege," sagte sie im Tone einer Tatsache, "und ich will, dass du nur Worte ohne Umlaute oder das deutsche scharfe S benutzt!" Das sagte sie ganz entschieden. Gegen das Übel gibt es keine Mittel; sie war das Übel, es kam aus ihr geschossen wie aus einem Lauf, oder wie eine schwarze Jauche aus einem Rohr.
Und doch machte sie mich auch wieder traurig mit ihren armseligen Vorderbeinen und gebleckten Zähnen, diesen kleinen, wirkungslosen Zähnen, mit denen sie mich anfletschte. Es wurde mir unheimlich. Sie trat einen Schritt an mich heran, langsam, aber doch so, daß ich wußte, ich könnte sie nicht aufhalten; vielleicht war es auch nur ein Bluff, einer dieser Bluffs, die immer hinauen. Ihre Krallen machten auf dem Holzboden scharrende Geräusche, wie "kray, kray". Sie wedelte mit ihrem ausgefransten Schwanz, bescheiden und bedrohlich, und ein rötlicher Staub entstieg den aufgestellten Haaren.
"Was willst du," fragte ich, mit einem Schlucken, "denn?" Sie trat noch einen Schritt an mich heran. Ich fühlte ein Pochen in mir, in meiner Stirn. Und dann sah ich auf einmal, wie sich ihre Augen unfreiwillig drehten; etwas wie Angst entstand in ihnen, und sie wollten zunächst ihr neues Ziel, den Schrank, nicht anerkennen.
Die Schranktür öffnete sich langsam, die Schnauze einer schwarzen Störung schaute heraus, die beiden fletschten sich an, es dauerte einen Augenblick, dann lagen sie sich an den Kehlen und bissen und krallten. Ich gewann meinen Mut zurück, nahm einen Besen und stieß sie beide aus der Tür. Ein blauer Himmel erschien aus dem Schrank und wischte zum Fenster hinüber, wo er hingehört.

Copyright © J. Beilharz 1982 / 2003

Diese Erzählung ist Bestandteil des 2003 erschienen Buches Die gottlosen Ameisen.

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