Quickshot - Schnellschuss vom 28.11.2001 Quickshot-Index
Susanna Tamaro »Kopf in den Wolken«

Eventuell auch schon im modernen Antiquariat:

   

Zum Inhalt

Der Klappentext dieses 1991 im Freiburger Verlag Beck & Glückler erschienenen Romans ist so gelungen und stimmig, dass ich mir getrost die Mühe sparen kann, ihn zu paraphrasieren:

Gleich nach seiner Geburt hat Ruben beschlossen, «ein ruhiges, wirklich ruhiges Lehen» führen zu wollen, und eine Zeitlang gelingt ihm das auch: Der Obhut von Großmutter und Urgroßmutter überlassen, die beide schon fast blind und taub sind, verbringt er seine Tage mehr als beschaulich in einer maßgerechten Erdkuhle. Doch eines Tages bricht der Erzieher Oskar in den Garten Eden ein und zwingt Ruben zum Handeln und dann zur Flucht: zur Flucht ins gelobte Land Amerika, wo ein steinreicher Onkel leben soll. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und von einem ruhigen Leben kann keine Rede mehr sein. Wie in einem Slapstick-Film gerät Ruben ständig in neue groteske Situationen, ein Panoptikum skurriler Figuren kreuzt seinen Weg und bedient sich seiner: So macht ihn die kinobegeisterte blinde Ilaria zu ihrem Betreuer, der schlitzohrige Spartaco bildet ihn zum Stuntman aus, und der zweifelhafte Baron Aurelio nebst seiner nicht minder anrüchigen Königin Domitilla halten ihn als garçon de chambre. Er wird Gärtner einer englischen Lady, Tellerwäscher und Barkeeper an Bord eines schiffbrüchigen Dampfers und schließlich der Freund des Archäoviators Arturo, der den Äther nach alten Worten durchforscht.

Bewertung

Dieses Erstlingswerk der 1957 geborenen italienischen Schriftstellerin und Filmemacherin ist halb Schelmenroman, halb Märchen, liebevoll und  mit gedämpfter Ironie erzählt. Über einen Mangel an Fantasie braucht sich der Leser ebenfalls keineswegs beklagen ... eher an einem Überschuss, denn die fantasievollen Ideen werden manchmal etwas zu lange verfolgt und ausgewalzt. Dieser Tatsache sind einige wenige lang(weilig)e Stellen zu verdanken. Ob es der Autorin gelungen ist, ihr selbstgesetztes Ziel zu erreichen – nämlich ihren literarischen Lieblingshelden Pinocchio und Karl Roßmann (aus Kafkas «Amerika») einen «Enkel» zu bescheren –, wäre mit Sicherheit eine kleine Seminararbeit wert. Am meisten hat mich Kopf in den Wolken aber angenehm an ein kleines Meisterwerk aus einer völlig anderen Ecke der Welt erinnert: Amos Tutuolas Der Palmweintrinker.
Ein hohes Lob gebührt Ulrich Hartmann für seine kongeniale Übersetzung, die sich niemals wie eine Übersetzung liest. 

»»» Fazit: Ein unterhaltsames modernes Märchen- und Schelmenstück, das zu lesen sich lohnt.

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