Quickshot - Schnellschuss vom 06.04.2002 Quickshot-Index |
Moderne französische Literatur in einem Stuttgarter Kleinverlag |
Die kommerziellen Rosinen aus dem Literaturkuchen
picken sich in der Regel die Großverlage heraus, die durch Übernahmen
und Fusionen immer größer werden – irgendwann werden sicher alle
einmal Bertelsmann oder einem anderen Medienriesen gehören.
Manche Perlen sind jedoch nicht bei den Goliaths zu finden, sondern
bei mutigen Davids, die nicht an Bestsellern oder
Eintagsfliegen interessiert sind, sondern an Qualität, Dauerhaftem oder
anderen Pfaden als den buchindustriell ausgetretenen.
Zu diesen Kleinverlagen zählt auch der Verlag Jutta Legueil in Stuttgart, auf dessen Programm Lyrik, lyrische Prosa, Ästhetik, Philosophie und Kunst stehen. Ein Großteil der Verlagsproduktion besteht aus Übersetzungen aus dem Französischen. Der französische Lyriker René Char (1907-1988) zählt zu den großen Gestalten der europäischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Kurze Zeit war er Mitglied der Surrealisten. Der Gedichtband Le marteau sans maître (Der herrenlose Hammer), 1934 erstmals erschienen, stammt aus dieser Schaffensperiode. Er liegt in einer zweisprachigen Ausgabe mit Nachwort von Horst Wernicke vor. Im Vorwort zur 2. Auflage schrieb Char 1945: »Der Schlüssel zum Herrenlosen Hammer ist zu finden in der vorausgeahnten Realität der Jahre 1937 bis 1944.« Von dem 1912 in Ägypten geborenen und 1991 gestorbenen Edmond Jabès erschien – ebenfalls in zweisprachiger Ausgabe – Désir d'un commencement / Verlangen nach einem Beginn. Zu diesem Buch schrieb J. Hauck in der Süddeutschen Zeitung: »In diesem Text wird nicht nur das Problem der Zeitlichkeit der menschlichen Existenz bedacht, sondern es wird – dem Doppelsinn des französischen Wortes fin (als Ende und Zweck) gemäß – zugleich das Entsetzen eines diktatorischen Zweckdenkens artikuliert. Jene Wahrheitssuche, die sich der Festlegung auf ein einziges Ziel (...) entwindet und sich stets die Möglichkeit eines augenblicklichen Neubeginns offenhält, hat teil an einer Idee des Messianischen.« So
wie die Gestirne dem Abgrund der Nacht entstiegen sind, ist der Mensch
der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aus der Asche von
Auschwitz geboren. Auf 208 Seiten sind in Und Jabès / Hommage Beiträge zu Jabès von Paul Auster, Marcel Cohen, Jacques Derrida, Felix Philipp Ingold, Jean-Luc Nancy und anderen versammelt. »Die Autoren und Jabès, das ergibt in der Lektüre eine Einheit: ein Team einander vertrauter (und vertrauender) Schreiber, Denker, Freunde ... Jabès ist kein esoterischer Schreiber, kein Fall für den Elfenbeinturm. (...) in den Texten, als Orten der wirklichen Kommunikation ... ist Jabès präsent und abwesend zugleich.« (F. Göttler, Süddeutsche Zeitung) Jüngere französisch(sprachig)e Autoren Yves Namur (geb. 1952, Arzt in Châtelineau, Belgien, zahlreiche Veröffentlichungen in Belgien und Frankreich, Prix Jean Malrieu 1992, Prix Gauchez-Philippot 1993), Das Buch der sieben Pforten, Gedichte. 1995, 120 Seiten. Christian Bobin (geb. 1951, lebt und arbeitet in Le Creusot, Rhône-Alpes), Schlichte Verzauberung, Gedichte. 1992, 48 Seiten. »Christian Bobin ist ein Dichter des Gegenwärtigen, der unvergänglichen Gegenwart – ohne Pathos, ohne Dunkel. (...) allein dem Heute ist er zugewandt, dem Wundersamen im Augenblick ... Reine Stimme des Gegebenen – Sie erinnert an Rilke, Char, Julien und Gracq ... und ist doch nur sie selbst.« (Libération) Annie Zadek (geb. 1948, lebt und arbeitet in der Nähe von Lyon), Walzerkönig / Roi de la valse, zweisprachige Ausgabe. Lyrische Prosa. 1991, 104 Seiten. »Die formale Auflösung der Erzählung in Stimmenspiele verbindet sich mit tiefem Ernst. Das Spiel ist ein Trick, um den Leser in den Sog des Textes zu ziehen.« (Gisela Febel in Intertextualität und Subversion, Heidelberg 1994) Martin Ziegler
(lebt und arbeitet in Paris), Adauktus oder Die Fügung der Zeit.
Lyrische Prosa. 1992, 80 Seiten. Raphaële George (1951-1985, Hauptwerke: Eloge de la fatigue (1985), Psaume de silence (1986)), Nächte im Tausch / Les nuits échangées, Gedichte, zweisprachige Ausgabe. 1990, 146 Seiten. »Eine edle, erhabene Stimme, mit mehr als nur mit Worten geschrieben; geschrieben mit dem zitternden und gepeinigten Fleisch und doch ohne Angst, mit der ganzen Ruhe einer durchlebten Erfahrung. So versetzt sie uns in diesen Zustand jenseits der Erschöpfung, jenseits der Erinnerung, den wir nicht mehr verlassen werden ...« (Pierre Bettencourt im Vorwort zur französischen Ausgabe) Jean-Louis Giovannoni (geb. 1950, lebt und arbeitet in Paris), Ein Ort im Blick der Steine / Ce lieu que les pierres regardent, zweisprachige Ausgabe. 1989, 120 Seiten. »Inmitten dieses Schlafes öffnet sich das Innerste der Steine. Hier höre ich die Stimme, die zu mir dringt, und doch höre ich manchmal auch eine andere, noch geheimnisvollere Stimme – gleich der seines Doppelgängers.« (Michel Camus) |
Die erwähnten Bücher sind über den Buchhandel oder
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www.abebooks.de |
Verlag Jutta Legueil Immenhofer Straße 26 D-70180 Stuttgart Tel./Fax +49 (0)711 - 60 07 76 |