Ricardo Rubio

   

Drei Gedichte

    
In deutscher Übersetzung von Johannes Beilharz
    

Außer Entfremdung ist uns nichts bekannt 

Ich gebe Zerstreutheit vor, während ich in einer anderen Zeit rühre,
die das Herz des Tagesanbruchs entzündet.
 
Ich schließe die Augen und stelle mir die Zeichen
    einer universellen Sprache vor.
Ich suche Gründe,
während ich auf Trübsal klopfe,
   die längst in den Rissen
   eines perplexen Raumes versickert ist.
 
Wenn die Morgendämmerung Wege auftut,
   erschrickt die versonnene Klarheit.
Mit welchem Gift ertränken wir Bedrängung
   und Hoffnung, wenn das weit entfernte Licht das Nichts ist?
Niemand ist Herr der Farbe des Sonnenuntergangs.
Das Bewusstsein brauchte Jahrtausende, um hier anzukommen,
und trieb einen benommenen Menschen 
   hinein in eine Welt aus Stein.
 
Es gibt verdurstende Alleen,
Vögel mit Panikröcheln,
kleine Fische, die gegen den Winter kämpfen.
Aber es gibt auch Frauenhände,
   auf meinen Rücken gelegt,
   die die Wildheit des Lebens mildern.
Ich fühle die Liebkosungen und die Kränkungen.
Jetzt setzen mir die Jahre auf ewig zu
   und sind kaum die Stille
   im Grunde einer Geste.

    

Die Zeit gräbt in den Begierden eine unnötige Wunde 

Ich biete Wasser an wie ein Herz,
    das die Schleusen seines Blutes öffnet.
 
Das Brot aus meiner Hand erheischt Vergebung.
Eine heilende Stille streift die Schatten
und auf dem Feuer löst ein Topf mit Minze
    das Prasseln nach dem Duft auf.
 
Ich biete dir diese Stimme an.
Meine Worte sind schwingende Echos
    in diesem Universum.
Doch das Innerste, absolutes Ödland –
verschlossen, dunkel, zeitlos –
ist unsichtbare Asche, die aufweicht,
widerspenstig macht, blendet,
ist ein Kondensstreifen, der das erste Weinen
    vom letzten Lachen trennt, das unsere Beherztheit färbte.
Dieser Zeitverlauf ist ein Loch,
ein dunkler Tannenwald,
ein Schafott, auf dem nicht gebetet wird.
 
Wie ein verwundeter Puma
    möchte ich einen Baum erklettern.
 
Jeden Tag malt die Sonne die Stadt
und jedem Tagesanbruch entspringt der Zement,
    der das Plasma erhärtet.

   

Der Körper ist diese Unmittelbarkeit 

Ich suche Antworten in einem alten Gesicht.
Ich schließe die Augen und stelle mir Gesten in der Luft vor,
möchte in einer Stimme das Geheimnis
   der Universalnacht einschließen.
Ich habe das Leben im Wort versucht,
das Wasser in der Geste und die Erde in der Liebe,
und bestehe darauf zu glauben, dass es nicht umsonst war,
dass die Schritte den Donner nährten
und dass jeder Augenblick
   ein Schrei auf der Suche nach Ewigkeit war.
    
Jetzt merke ich, dass die Stille
   sich mit der Zukunft vereint, die niemand erwartet.
Ich möchte Magneten und Spiegel wegwerfen,
Quecksilber und Silizium
und alles andere, was der Verstand nicht erfasst;
ich will das Unverständnis der Materie begründen
    und ihr blindes Auge,
das Warten und die Niederlagen, die sie ungerecht machen,
Nächte und Lärm,
    wenn sie die Hoffnung betäuben.
   
Will die unentschiedene Komödie verstehen,
    die von Hand zu Hand Elend ausgießt
    und Schmerzen voraussagt.
Will vergessen vorzugeben, dass wir zusammen sind,
    um aufzugeben oder zu siegen.
   
Die Dunkelheit ist das Licht in den Türen eines Hauses
oder Knochenstaub in einer Sanduhr.

    

Übertragung ins Deutsche mit freundlicher Genehmigung von Ricardo Rubio. Copyright © 2016 Ricardo Rubio und Johannes Beilharz.

    

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