Sechs Gedichte von Helmut Hauser

zu Teppichbildern von Edith Müller-Ortloff und Baya Schultze-Ortloff

 

Knüpfteppich Phönix (210/140 cm)
von Edith Müller-Ortloff

 

Phönix

Gewordene Natur nicht vorgegeben,
geformt' Symbol will neu erblühn,
ausgreifend Suchen überwindet Enge,
verschwendet Sehnsucht im Verglühn.

Weltstund' verlangt inbrünstig nach der Wende,
sie fordert brennend Werden nur
um durchzuglühn wie Sterne, einzuschmelzen
für eine Mitte - neue Spur.

Und Augen folgen hell dem Feuerbusche
spiralengleich und eingedreht,
umsprungen schon zu lodernd hellem Strahle,
verascht die Angst, da Wandlung weht.

 

Knüpfteppich Wir leben unser Leben in wachsenden Ringen (200/135 cm)
von Edith Müller-Ortloff

 

Wir leben unser Leben in wachsenden Ringen

                                                  (NACH RILKE)

Aus seinem frühen Werk, dem Stundenbuch,
verschwebten Worte, Klänge, Melodie.
Und in dem Anfang lag das große Mühn,
im End' Verrinnen nur; und Gott verzieh.

Spiralengleich, eindrehend ist die Spur;
nach außen wendend Form gewordner Weg.
Und fernbestimmten Atems Ein und Aus
ist großen Hintergrundes Gleichnis nur.

Im tiefen Horchen, Sammeln in der Form
gewann das Wir gewebehaft Gestalt,
und Farbenklänge im Vorübergehen
verwoben Ich und Du, des Wegs Gewalt.

 

Bildteppich Zwei Menschen
von Edith Müller-Ortloff

 

Zwei Menschen

Geknüpftes Wechselspiel der Flächen
verheiß'ne Stille zum verbundnen Sein,
bewegt Begleiten, freudig Wachsen
in beider Leben: Angenommensein.

Und Sehnsucht atmen, Anfang wagen,
sich aufzuschließen im betroffnen Schaun;
gereichte Hände tröstlich tragen
in ein Zuhause: Nachhall im Vertraun.

 

Rohwoll-Halbgobelin (230/170 cm)
von Edith Müller-Ortloff

 

Inneres Leuchten

Und lose Wolle
drängt zum Teppich hin,
im Händehaus lebt
vorgewobner Sinn.

Die Glut der Farben
in die Augen dringt,
die eingefrorne
Träume neu besingt.

Vergessen ist der
Widerworte Flut,
im Hauch des Schweigens
hier die Schöpfung ruht.

Und dieses Leuchten
tiefe Tiefe hält,
das Aufgetane
ins Erahnen fällt.

 

 

Knüpfteppich (135/210 cm) Schöpfungsereignis
von Baya Schultze-Ortloff

 

Schöpfungsereignis

Wer kennt die Glutschrift ferner Horizonte,
der Feuerwirbel Tanz und Spiel?
Ist es die eigne Scheu, die uns verwehrte
der Sonnenkreise Weg und Ziel?

Und aufwärts drängt die Finsternis als riefe
der Lichtquell, der vorüberzieht,
und alte Bindung reißt - heilvoll Begegnen -
das Unergründliche geschieht.

Entflammt von unverhüllten Sonnenspuren
wird saphirhell die eigne Sicht.
Versiegelt mit dem Schöpferwort BEGONNEN
kreist unsre Welt im Sphärenlicht.

 

 

Seidenbatik (120/260 cm) Verschlungene Wege von Baya Schultze-Ortloff

 

Verschlungene Wege

Aus der Kindheit weitem Uferbogen
weisen Wege weitverzweigt ohn' Weile,
und die Lebensglut gedrängt in Eile
fühlt sich von der Ferne aufgesogen.

Große Wege münden gleich den Rinnen
wohl aus jedem Schritt entspringt die Quelle,
die weltein erwölbt den Pfad ins Helle,
Gut der leeren Hände ins Besinnen.

Unser Zutun ist doch nur das eine:
einzubringen in das Wolkenziehen
jeder Lauscherstunde Sehnsuchtsmühen,
einer in das Licht gehob'nen Reine.

Erdentlastet, aus dem großen Schweigen
ahnen wir, ob unser Weg gelänge,
hören still die rettenden Gesänge,
die den Scheidenden die Wege zeigen.

 

Die hier wiedergegebenen Gedichte und Teppichbilder stammen aus Helmut Hauser PHOENIX, 1987 erschienen im Verlag Glückler, Hechingen. Copyright © Helmut Hauser / Edith Müller-Ortloff / Baya Schultze-Ortloff 1987.

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