Quickshot - Schnellschuss vom 15.07.2005 Quickshot-Index

Zweites indisches Filmfestival in Stuttgart

vom 13. bis 17. Juli 2005


Szene aus dem Film Page 3 mit Atul Kulkarni (Mitte) und Konkona Sen Sharma (rechts)
Wieder unter dem Titel Bollywood and Beyond erlebt das 2004 vom Filmbüro Baden-Württemberg e.V. erstmals organisierte indische Filmfestival vom 13. bis 17. Juli eine zweite Auflage mit zahlreichen Filmvorführungen sowie anderen Veranstaltungen in Stuttgart. Veranstaltungsorte sind das Filmhaus Stuttgart, das Metropol Kino und der Club Bett.

Einzelheiten zum Programm finden Sie auf der Webseite des Filmbüros.

Das Programm umfasst neben kommerziellen Erfolgen der letzten Jahre (Swades, Veer-Zaara, Waqt – The Race Against Time, Black, Bride & Prejudice) anspruchsvollere Filme (Devdas [2002], Chokher Bali, Page 3, Katt Katt Kad Kaddu, Heda-Hoda - The Blind Camel), Klassiker des indischen Kinos (Mother India, Mughal-E-Azam [kolorierte Version] und, in einer Hommage an Meisterregisseur Satyajit Ray, dessen Spielfilme Ghare-Baire, Shatranj Ke Khilari und Joi Baba Felunath - The Elephant God) sowie Kurzfilme und Dokumentarfilme.

Auswahl aus dem Filmprogramm

Veer-Zaara 

Indien 2004, 192 min, Hindi mit dt. Untertiteln
Regie: Yash Chopra
Hauptdarsteller: Shah Rukh Khan, Preity Zinta, Rani Mukherjee
Buch: Aditya Chopra
Kamera: Anil Mehta
Musik: Sanjeev Kohli, Madan Mohan

Als der indische Luftwaffenpilot Veer (Shah Rukh Khan) dem pakistanischen Mädchen Zaara (Preity Zinta) bei einem Unfall das Leben rettet, verändert sich sein Leben. Die Geschichte einer Liebe, die die Schranken zweier verfeindeter Länder und – mit Hilfe einer jungen pakistanischen Anwältin (Rani Mukherjee) – Jahre im Gefängnis in Pakistan überwindet.

Kino großer romantischer Gefühle mit schöner Musik und teilweise wunderbarer Kamera, das jedoch unter Konventionalität und Patzern leidet (so den ziemlich lächerlichen Alterungs-Makeup-Jobs an Shah Rukh Khan und Preity Zinta).

Black

Indien 2005, 122 min, Hindi mit engl. Untertiteln
Regie: Sanjay Leela Bhansali
Hauptdarsteller: Amitabh Bachchan, Rani Mukherjee
Buch: Sanjay Leela Bhansali, Bhavani Iyer
Kamera: Ravi K. Chandran
Musik: Monty

Dieses Drama – eine in der indischen Gegenwart angesiedelte Variante der Geschichte der taubstummen und blinden Helen Keller – ist ein schlagendes Beispiel dafür, dass ein ernstes Thema eine realistische und glaubhafte Behandlung erfahren sollte. Bei den pädagogischen Undingen und Klischees, die dieser Film serviert, dreht es dem einigermaßen kritischen Zuschauer den Magen um. Das einzige darstellerische Glanzlicht kommt nicht von den Stars Amitabh Bachchan und Rani Mukherjee, sondern von Ayesha Kapoor, die die taubstumme und blinde Michelle McNally als Kind spielt. Mir bleibt unerklärlich, wieso die Kritik mit ihren Lobhudeleien mehrheitlich auf den hoh(l)en moralischen Anspruch dieses Machwerks hereingefallen ist.

Devdas (2002)

Indien 2002, 182 min, Hindi mit engl. Untertiteln
Regie: Sanjay Leela Bhansali
Hauptdarsteller: Shah Rukh Khan, Aishwarya Rai, Madhuri Dixit, Kiron Kher
Buch: Sanjay Leela Bhansali nach dem Roman von Sarat Chandra Chattopadya (1917)
Kamera: Sanjay Kapoor
Musik: Ismail Darbar, Monty, Pandit Birju Maharaj

Die Geschichte von Devdas, einem tragischen (Anti)helden zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Dem Sohn einer wohlhabenden und angesehenen Familie (gespielt von Shah Rukh Khan) wird aus Standesgründen die Heirat mit der Nachbarstocher Paro (Aishwarya Rai) untersagt. Ihren Vorschlag einer gemeinsamen Flucht schlägt er aus. Paro heiratet einen älteren, steinreichen Witwer, Devdas verfällt nach und nach in der Metropole Kalkutta dem Alkohol. Die Liebe der warmherzigen Chandramukhi (Madhuri Dixit) stößt er von sich, da er sie als Kurtisane verachtet. Ein Drama, das einen indischen Nerv trifft (mittlerweile wurde es bereits zum 5. Mal verfilmt), dem europäischen Zuschauer aber vielleicht eher unverständlich bleibt, da Devdas weniger tragischer Held als Schwächling ist. Wirklich zu bewundern sind die beiden Frauengestalten Paro und Chandramukhi – wobei man ihnen nur zu gern raten würde, ihre Liebe einem verdienstvolleren Objekt zu schenken. Kiron Kher glänzt in einer amüsanten Nebenrolle als Paros Mutter. Farbenprächtiges Drama mit fabelhafter Musik von Ismail Darbar.

Devdas (1955)

Ein zweifellos bedeutenderes Werk ist die gleichnamige Schwarzweißverfilmung desselben Stoffes durch Bimal Roy (1955, in den Hauptrollen Dilip Kumar, Vyajanthimala, Suchitra Sen), die an die beeindruckendsten Filme des italienischen Neorealismus gemahnt.

Page 3

Indien 2005, 139 min, Hindi mit engl. Untertiteln
Regie: Madhur Bhandarkar
Hauptdarsteller: Konkona Sen Sharma, Atul Kulkarni, Sandhya Mridul, Sandhya Mridul, Tara Sharma, Bikram Saluja, Boman Irani
Buch: Nina Arora, Manoj Tyagi
Kamera: Madhu Rao
Musik: Shamir Tandon

Die warmherzige, etwas naive Madhavi (Konkona Sen Sharma) ist als Gesellschaftsreporterin für die Seite 3 einer Tageszeitung verantwortlich – die Klatschseite mit Interviews, Stories und Gerüchten über Berühmtheiten und Stars. Indem sie sich dem Kriminalreporter Vinayak Mane (Atul Kulkarni) anschließt, versucht Madhavi aus der Bedeutungslosigkeit ihrer Tätigkeit auszubrechen, einem Journalismus ohne Ethik zu entkommen. 
Der Film ist eine treffende Satire auf das Zeitungsgeschäft und die Scheinwelt der Stars und Models – eine Welt zahlloser Partys, schöner Fassaden, in der Korruption, Heuchelei und Gefühlskälte herrschen.

Chokher Bali

Indien 2003, 167 min, Hindi, Bengali, engl. Untertitel
Regie: Rituparno Ghosh
Hauptdarsteller: Aishwarya Rai, Rima Sen, Tota Roychowdhury, Prosenjit Chattopadhyay
Buch: Rituparno Ghosh nach dem gleichnamigen Roman von Rabindranath Tagore von 1902
Kamera: Aveek Mukhopadhyay
Musik: Debajyoti Mishra

Indien um 1900. Binodini (Aishwarya Rai), jung, schön, gebildet und nach nur einem Jahr Ehe verwitwet, schmiedet ihre Intrigen in der wohlhabenden Familie Mahendras, dessen Mutter Binodini aus dem Dorf in die Stadt mitbringt und mit dessen naiver, ungebildeter Frau Ashalata sie sich zunächst anfreundet. Es kommt zu einer Affäre mit Mahendra. Aber auch dessen engsten Freund Behari zieht sie in ihren Bann.

Die Geschichte einer Frau, die sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft nicht in die ihr zugedachte Rolle fügen will. Gegenüber der Romanvorlage wurde der Film sexualisiert – im Roman wird Mahendra von Binodini in einem lange andauernden Warm- und Kaltbad zurückgewiesen. Möglicherweise hätte die im Film aufgezeigte Variante 1902 nicht veröffentlicht werden können. Was mich an dem sonst sehr dichten und gelungenen Film störte, war die unrealistische Perfektion der Sets. Alles wirkt neu und unberührt und daher geschönt.

My Brother Nikhil

Indien 2005, 116 min, Hindi mit engl. Untertiteln
Regie: Onir
Hauptdarsteller: Sanjay Suri, Juhi Chawla, Purab Kohli, Victor Banerjee, Lilette Dubey
Kamera: Arvind Kannabiran
Musik: Vivek Philip

Nikhil Kapoor (Sanjay Suri) erfährt Ende der 80erjahre, dass er HIV-positiv ist. Er wird aus dem Schwimmteam geworfen, verliert seinen Job, wird von den Eltern (Victor Banerjee und Lilette Dubey) verstoßen. Zu ihm halten nur seine Schwester Anamika (Juhi Chawla in einer ihr wie auf den Leib geschnittenen warmherzigen Rolle), ihr Freund und Nigel de Costa, sein lang geheim gehaltener Liebhaber.
Unspektakuläres, menschlich anrührendes AIDS-Drama, dessen Dramatik vielleicht durch Vermeidung der Narrativeinlagen und Straffung gesteigert werden können hätte.

Waqt – The Race Against Time

Indien 2005, 152 min, Hindi mit engl. Untertiteln
Regie: Vipul Shah
Hauptdarsteller: Amitabh Bachchan, Shefali Shah, Akshay Kumar, Priyanka Chopra, Rajpal Yadav, Boman Irani
Buch: Aatish Kapadia
Kamera: Santosh Thundiiayil
Musik: Anu Malik

Aditya (Akshay Kumar) wurde von seinem Vater Ishwar (Amitabh Bachchan) zeitlebens verwöhnt. Auch Adityas Hochzeit mit Pooja (Priyanka Chopra) impft ihm keinen Funken der von ihm erwarteten Verantwortung ein. Er träumt weiterhin von einer Karriere als Filmstar, ohne etwas dafür tun zu wollen. Er lernt eine harte Lektion, als die Eltern ihn und seine Frau des Hauses verweisen und keine weitere Unterstützung gewähren.
Unrealistisches und mit Konventionalitäten gespicktes Familiendrama um den Weg zur Verantwortung. Für comic relief sorgen der nicht gerade intellektuell gesegnete Hausangestellte (Rajpal Yadav in einer Paraderolle) sowie zu Anfang einige überdrehte Szenen zwischen Ishwar und seinem Erzwidersacher und zukünftigen Gegenschwieger Nathu (Boman Irani). Schauspielerisch von Bachchan das Gewohnte, von Akshay Kumar die vielleicht emotional intensivste Leistung seiner Karriere.

Bride & Prejudice

USA 2004, 111 min, Englisch und Hindi
Regie: Gurinder Chadha
Hauptdarsteller: Aishwarya Rai, Martin Henderson, Nadira Babbar, Namrata Shirodkar
Buch: Paul Mayeda Berges
Kamera: Santosh Sivan
Musik: Anu Malik

Zwar kein originelles kleines Meisterstück wie Bend it like Beckham von derselben Regisseurin, aber trotzdem eine musikalische Komödie, bei der man sich blendend amüsieren kann. Vorlage war der Roman Pride and Prejudice, dt. Stolz und Vorurteil von Jane Austen (1813). Die Handlung, bei der es um die Bemühungen der etwas vulgären Mrs. Bakshi (Nadira Babbar) geht, ihre vier Töchter unter die Haube zu bringen, ist auf Amritsar, Goa, London und Los Angeles verteilt. Die beiden älteren Schwestern werden von den Bollywood-Schauspielerinnen Aishwarya Rai und Namrata Shirodkar verkörpert.

   

   

Anmerkung zu den vergebenen “Sternen”
Diese Beurteilung entspricht meiner persönlichen Meinung.
                J. Beilharz

Lokalitäten

Filmhaus
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E-Mail: info@filmbuerobw.de
Webseite: www.filmhaus-stuttgart.de

Metropol Kino
Bolzstr. 10 · 70173 Stuttgart
Webseite: www.innenstadt-kinos.de

Club “Bett”
Friedrichstr. 23A · 70174 Stuttgart

Indische Filme auf DVD sind zunehmend auch in Videoläden und im Online-Handel erhältlich, z.B. bei Amazon.
>>> Diesem auch im 2. Jahr ausgewogenen und interessanten Programm sind wiederum viel Erfolg und zahlreiche Besucher zu wünschen.

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